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Rundfunk- und Telemedien-Prüffälle der KJM im vierten Quartal 2010

Jan 18, 2011

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat im vierten Quartal 2010 insgesamt 45 Verstöße gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) festgestellt. Elf davon kommen aus dem Rundfunk-, 34 aus dem Telemedienbereich. Bei der Aufsicht über den Rundfunk arbeitet die KJM Hand in Hand mit den Landesmedienanstalten: Sie beobachten, prüfen und bewerten potenziell problematische Rundfunkangebote und leiten dann der KJM die entsprechenden Prüffälle zur Entscheidung zu. Im Internetbereich unterstützen jugendschutz.net und die Landesmedienanstalten die KJM bei ihren Aufgaben: So treten jugendschutz.net oder auch die Landesmedienanstalten bei der Annahme von Verstößen vorab an die Anbieter heran und fordern, entsprechende Inhalte freiwillig herauszunehmen. Auf diese Weise können viele Internet-Fälle ohne aufwändiges Verfahren geklärt werden. Erst bei Nichtabhilfe oder in besonders schweren Fällen schreitet die KJM ein. Sowohl im Rundfunk- als auch im Telemedienbereich kann die KJM nur gegen Anbieter mit Sitz in Deutschland vorgehen. Indizierungen fallen in das Aufgabengebiet der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Die KJM ist in dem Zusammenhang einerseits für die Abgabe von Stellungnahmen zu Indizierungsanträgen im Bereich der Telemedien zuständig und kann andererseits selbst Indizierungsanträge stellen.Rundfunk

In zwei Fällen stellte die KJM Verstöße wegen offensichtlich schwerer Jugendgefährdung fest:

Die Sendungen „UFC Unleashed“ und „UFC Fight Night # 109“, die DSF (heute Sport 1) Anfang 2010 im Nachtprogramm ausstrahlte, hätten nicht im Fernsehen laufen dürfen. Allem voran problematisierte die KJM – besonders im Hinblick auf gefährdungsgeneigte männliche Jugendliche – dass gesellschaftlich anerkannte Gewalttabus, wie das Einschlagen auf einen am Boden liegenden Gegner oder das Weiterführen eines Kampfes, obwohl der Kontrahent bereits blutet, gebrochen werden. Auch die körperliche Unversehrtheit der Sportler wird bewusst aufs Spiel gesetzt und zu Unterhaltungszwecken instrumentalisiert. Sehr kritisch sah die KJM die Rahmung als „Sport“, da auf diese Weise aggressive Handlungen verharmlosend dargestellt werden. Eine Nachahmungsgefahr, gerade bei älteren Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren, ist nicht auszuschließen. Semiprofessionelle Kampf-Clips im Netz stützen diese Vermutung.

Eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige (Sendezeitgrenze 22 bis 6 Uhr) stellte die KJM in folgenden fünf Fällen fest:

Drei Episoden von „Bully Beatdown“, die MTV jeweils ab 21.30 Uhr sendete, zeigten ebenfalls Ultimate Fighting-Kämpfe – in einem neuen, aber nicht minder problematischen Zusammenhang: Opfer von Prügeleien auf dem Schulhof, in Familie oder Nachbarschaft können sich an ihren Peinigern rächen. Der Moderator besucht in jeder Episode einen so genannten „Pausenhofschläger“ (engl. „bully“). Er bietet ihm eine Siegerprämie von 10.000 Dollar, wenn er sich einem Schlagabtausch mit einem professionellen Ultimate Fighting-Kämpfer stellt. Angeheizt wird der Kampf durch das Anfeuern des Moderators und des Publikums. Im Mittelpunkt der Sendung steht nicht die Läuterung des Peinigers, sondern die Befriedigung von Rachegefühlen, die die Gepeinigten in der Sendung ausleben dürfen. Die KJM kritisierte vor allem die Darstellung von Gewalt als legitimes Mittel zur Konfliktlösung sowie die mediale Inszenierung des Rachegedankens mittels verbaler Herabsetzung und Schadenfreude.

Auch bei der Pilotfolge des Coaching-Formats „Die Mädchen Gang“ im Hauptabendprogramm von RTL 2 verzeichnete die KJM einen Verstoß. Das Konzept der Reality-Doku-Serie: Straffällige, aggressive Mädchen sollen in drei Wochen – mit Hilfe einer Psychologin und eines Anti-Gewalt-Trainers – sozialverträgliche und gemeinschaftsfähige Menschen werden. Bevor der Sender die Resozialisierungsmaßnahmen für die Mädchen zeigte, setzte er das aggressive Verhalten und die zahlreichen Beschimpfungen und Gewalthandlungen gegenüber Dritten ausführlich in Szene. Auch wenn es sich primär um gespielte Szenen handelt, ist hier aufgrund der Sendezeit von 20 Uhr nach Auffassung der KJM ein hohes Problempotenzial für Kinder und Jugendliche zu sehen. So bewertete die KJM Folge eins als Verstoß wegen Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige. Weitere Folgen des Formats wurden geprüft, aber nicht als Verstoß bewertet: Denn im Unterschied zu Folge eins wird hier das problematisierte Verhalten der Mädchen negativ kommentiert.

Der Trailer zu „Schön bis in den Tod“ im Tagesprogramm von ANIXE ist von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) ab 16 Jahren freigegeben und hätte daher erst nach 22 Uhr ausgestrahlt werden dürfen. Auch aus Sicht der KJM sind die Gewaltszenen geeignet, Zuschauer unter 16 Jahren nachhaltig zu ängstigen.

Eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 12-Jährige (Sendezeitgrenze 20 bis 6 Uhr) stellte die KJM in folgenden vier Fällen fest:

Bei der Date-Casting-Show „Sido Sexposed“ im Tagesprogramm von MTV. Darin unterhält sich der als Gangsta- und Pornorapper bekannt gewordende Sido (ohne Maske) und sein Alter Ego (mit Maske) mit zwei Frauen. Die, die ihm besser gefällt, bekommt ein Date mit ihm. Im Lauf der Sendung fallen diverse frauenfeindliche und anzügliche Sprüche. Die KJM problematisierte, dass die jungen Frauen ausschließlich als Sexualobjekt dargestellt werden. Aus ihrer Sicht ist das Angebot daher geeignet, jüngere Kinder unter 12 Jahren durch das Propagieren einseitiger Rollenklischees in ihrer Selbstfindung im Hinblick auf die sexuelle Entwicklung zu beeinträchtigen.

Als Verstoß bewertete die KJM auch die Sendung „Galileo History“ (Pro Sieben, Tagesprogramm) wegen eines 16-minütigen Beitrags zum Thema „Hexenverfolgung“. Hier werden beispielhaft an dem Schicksal einer Hebamme im 17. Jahrhundert verschiedene Mythen rund um das Thema widerlegt, aber auch bestätigt. Verschiedene inszenierte Spielszenen setzen die grausamen Einzelheiten der damaligen Zeit detailreich in Szene. Die KJM konnte – trotz der Inszenierung und einer Relativierung durch die historische Distanz – eine nachhaltige Ängstigung vor allem der Jüngeren der Altersgruppe unter 12 Jahren nicht ausschließen.

Bei dem Trailer zu „Legion“ im Tagesprogramm von ANIXE sah die KJM in den drastischen Einzelbildern, der schnellen Aneinanderreihung von zusammenhanglosen Filmausschnitten und der dramatischen, actionreichen Inszenierung im Hinblick auf unter 12-Jährige ein großes Ängstigungspotenzial. Auch die FSK hatte den Trailer erst ab 12 Jahren freigegeben.

Einen Imagetrailer während der Sendung „Der Trödeltrupp“ (RTL 2, Tagesprogramm) wertete die KJM ebenfalls als Verstoß. Der Spot beinhaltet ausschließlich Bildmaterial aus Filmen, die von der FSK frühestens ab 12 Jahren freigegeben sind. So enthält der Zusammenschnitt eine nicht zu vernachlässigende Menge an Gewalt und abschreckende Bilder, unter anderem von Monstern. Gerade durch die unerwartete Konfrontation mit solchen Schreck-Szenarien innerhalb des „Familienprogramms“ des Senders ist eine Ängstigung jüngerer Kinder möglich.

Telemedien

Die Jugendschutzrelevanz von Internet-Inhalten ist in der Regel ungleich höher als die von Fernseh-Sendungen. Weil Angebote im Netz außerdem nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern meist über einen längeren Zeitraum online sind, berichtet die KJM über die Verstöße in Telemedien anonymisiert:

Ein Angebot ist nach dem JMStV unzulässig: Es verharmlost oder leugnet Handlungen, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangen wurden.

Sieben Verstöße beziehen sich auf Angebote, die einfache Pornografie beinhalten. In Telemedien darf einfache Pornografie nur ausnahmsweise innerhalb geschlossener Benutzergruppen zugänglich gemacht werden. Ist das nicht der Fall, liegt ein Verstoß gegen den JMStV vor.

26 Angebote stellen aufgrund entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte einen Verstoß gegen die Bestimmungen des JMStV dar:

Darunter finden sich 14 Erotik-Teletextangebote. Hier befasste die KJM erstmalig die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM), da die Anbieter Mitglieder der Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle sind. So hatten die geprüften Teletext-Fälle der FSM vorab vorgelegen. Die KJM stellte dennoch Verstöße wegen Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige fest. Die KJM beschloss eine Beanstandung sowie eine Sendezeitbe-schränkung auf die Zeit von 22 bis 6 Uhr. Anbieter von Teletext-Angeboten sind meist nicht die jeweiligen Sender selbst, sondern die im Impressum aufgeführten Firmen.

Die Mehrheit der weiteren Angebote zeigte zum Zeitpunkt der Beobachtung erotische Bilder und explizite Schilderungen sexueller Vorgänge – auch bizarrer Sexualpraktiken – unterhalb der Pornografieschwelle.

Auch ein Browser-Spiel war unter den Verstößen.

In 22 Fällen konnte das Verfahren eingestellt werden, da die jugendschutzrelevanten Inhalte nach der Intervention durch die KJM entfernt worden und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Einstellung (kein absolut unzulässiges Angebot, kein Wiederholungstäter) gegeben waren.

Die KJM beschloss – je nach Art und Schwere der Verstöße – Beanstandungen, Untersagungen oder Bußgelder. Die entsprechenden Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führen die jeweils zuständigen Landesmedienanstalten durch. Strafrechtlich relevante Inhalte gibt die KJM an die zuständigen Staatsanwaltschaften ab.

In mehr als 40 Fällen beantragte die KJM im vierten Quartal 2010 die Indizierung eines Telemedienangebots bei der BPjM. Die Anträge bezogen sich zum Großteil auf Internetangebote mit Darstellungen einfacher Pornografie. In weiteren gut 20 Fällen gab die KJM eine Stellungnahme zu Indizierungsanträgen anderer antragsberechtigter Stellen bei der BPjM ab, die von der BPjM bei ihrer Entscheidung maßgeblich zu berücksichtigen sind.

Damit befasste sich die KJM seit ihrer Gründung im April 2003 mit rund 4.050 Fällen – mehr als 800 im Rundfunk und 3250 in Telemedien.

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